Phänologie und Völkerführung

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  • Hartmut hat eben an anderer Stelle zu Recht angemerkt, dass man über die Frage, wann der Frühling kommt, nicht sinnvoll diskutieren kann.

    Mich beschäftigt ein Thema, das damit zu tun hat: Ich stelle fest, dass die alten phänologischen Faustregeln zur Völkerführung immer unnützer werden.

    Ein Klassiker: Aufsetzen des Honigraums mit Beginn der Salweidenblüte. Ich rate davon mittlerweile ab. Die Salweide blüht in unserer Gegend nach einem vorher milden Winter zu einer Zeit, in der die Völker kaum reif für den Honigraum sind. Wiederholt habe ich erlebt, dass der Honigraum dann leer bleibt und die Waben dort nach späteren Kälteeinbruchen schimmeln. Außerdem verdichten sich die Blühphasen der Frühtrachten (bei mir Kirsche bis Roßkastanie) deutlich.

    Ich hatte schon überlegt, diesem Phänomen durch Vereinigen der Völker auf Trachtstärke beizukommen. Allerdings bin ich auf die Frühtrachten nicht so angewiesen wie andere Imker und kann manchen Volk mehr Zeit gehen, Trachtstärke zu erreichen.

    Was sind Eure Erfahrungen und Rezepte?

    I never loose - either I win or I learn (Nelson Mandela)

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  • Ich imkere ja erst seit drei Jahren, hatte aber jedes Jahr den Eindruck, dass die Regeln von den alten Imkern hier irgendwie nicht passen. Vielleicht lag es ja doch nicht an mir.

  • Meiner Erfahrung nach hilft es den Bienen nicht proportional wenn man Völker zusammen wirft, sprich wenn ich zwei gleichstarke Völker vereinige, kommt dabei nicht ein doppelt so starkes Volk heraus, weshalb ich diese Methode alleine wegen dem wirtschaftlichen "Schaden" nicht anwenden würde. Ich persönlich wandere im Spätsommer schon in wärmere Regionen, da die Völker so noch länger Futter aufnehmen und mehr Zeit im Herbst haben auf eine gute Stärke zukommen (ist vor allem bei Ablegern wichtig). Das macht sich dann auch enorm im Frühjahr bemerkbar, denn auch hier nehme ich einen enormen Unterschied zwischen den Völkern im Hochland und denen in den wärmeren Regionen wahr. Mit den warm überwinterten Völkern kann ich dann im Frühjahr perfekt für die Frühtracht oder den Raps mit starken Einheiten abwandern. (Zwischen der Region in der ich wohne und der Region in der ich überwintere gibt es sowohl zwischen der Völkerentwicklung als auch der Entwicklung der Natur einen Unterschied von bis zu 14 Tagen). Inzwischen führe ich auch Reizfütterungen (üblicherweise im März) vor allem bei den schwächeren Völkern durch, diese dienen nicht zur Bekämpfung von Futterknappheit, sondern lediglich um einen Trachteingang zu simulieren und die Völker so zu manipulieren. Das gibt den schwachen Völkern auch nochmal einen Boot, sodass sie im Raps auch noch ein paar Kilos holen können.

  • Warme Region im Herbst heißt länger Brut und mehr Milben.

    Kann natürlich sinnvoll sein um, so wie du es schreibst, Ablegern die Zeit zu geben zu wachsen. Dann ist halt im Herbst die Varroa engmaschig zu kontrollieren und ggf. noch einzuschreiten.

    Mit starken Völkern würde ich im kalten bleiben und die früheren Brutpause für eine effektive Winterentmilbung nutzen.


    Glücklich wer so unterschiedliche Klimazonen bespielen kann.


    Gruß Max

    Die Natur muss gefühlt werden.

    (Alexander von Humboldt)

  • Nun kann ich über 50 Jahre Phänologie und Völkerführung zurückblicken und kann versichern, dass Beides schon immer untrennbar zusammengehört. Die Winter sind schon lange keine Winter mehr wie ich sie aus Kindheit und Jugend in Erinnerung habe. An den Grundregeln der Imkerei hat sich trotzdem wenig geändert. Aber durch die Varro und die Umstellung von der Hinterbehandlungsbeute auf Magazine habe ich mich auf Neues einstellen müssen. Was geblieben ist, ist das man wissen muss, wann mit dem Massenwechsel (Abgang der Winterbienen) zu rechnen ist und wann die Bienenmasse im Frühjahr „explodiert“. Das ist jedes Jahr verschieden und von der jeweiligen Überwinterungsstärke abhängig. Das Erweitern (Honigraumgabe) zum richtigen Zeitpunkt ist entscheident für die Schwarmverhinderung. Feste Regeln die ich anderen mitteilen könnte habe ich kaum, dafür Erfahrung die mir sagt, „es ist soweit“. Dabei hilft mir die Phänologie und die Fluglochbeobachtung. In die Völker muss ich jetzt noch nicht schauen, es genügt, die Hand auf die Abdeckfolie zu legen um zu wissen wieviel Brut derzeit gepflegt wird. Es ist das faszinierende an der Imkerei, dass jedes Jahr anders ist und jedes Volk eine eigene „Persönlichkeit“ besitzt. Ab 30 Völker hat man nicht mehr die Zeit, Völker individuell zu führen, dann muss man mehr planen und vereinheitlichen. Da möchte man gleichstarke Völker haben die sich gleichzeitig entwickeln, das kriegt man auch hin, ich kann es mir leisten, jedem Volk seine Individualität in gewissen Grenzen zu belassen. Habe heute mal wieder durchgezählt und festgestellt, es sind schon wieder viel zu viele. VG Jörg

  • Phänologie und Frühlingserwachen sind ja miteinander gekoppelt. M.E. ist die Tageslichtlänge sehr entscheidend für die Entwicklungen in der Natur. Hier beobachtet man die Reihenfolge des Aufblühens, auch wenn's jahresabhängig früher oder später sein kann, immer gleich, z.B.


    Hamamelis - Schneeglöckchen, Krokusse, Winterlinge - Cornelkirsche - Kirschpflaume, wilde Pflaume - Weiden - Schlehdorn - Primeln, Blaustern, Scharbockskraut - Kirscharten usw.


    Die Bienen stellen sich darauf ein, entsprechend ist deren Entwicklungsfortschritt ( mit den üblichen Variationen). Will heißen, den Honigraum setze ich immer noch zum Blühbeginn der Weide auf, danach den Baurahmen.


    Ich bilde mir ein, dass es so noch immer passt.

  • Will heißen, den Honigraum setze ich immer noch zum Blühbeginn der Weide auf, danach den Baurahmen.

    Solche Abhängigkeiten und Beobachtungen sind hoch regional und vielerorts verchieden. Mit dem Klimaandel wird sich das auch noch stärker ändern.


    zum Beispiel.

    - Bei uns waren die Völker zwischen Mitte April bis Anfang Mai aufsetzereif - die frühen konnten den Löwenzahn nutzen, die späten nicht. Mein Vater hat dazu immer gesagt "Ein Volk das man am 1.Mai noch nicht aufgesetzt hat taugt nichts, das kannst Du gleich umweiseln, das ist es nicht wert."

    - In den letzten Jahren ist bei uns der Löwenzahn oft schon im März am Blühen und die Bienen sind auch entsprechend früher dran - so das ich das "Aufsetzen" schon viel früher machen musste...


    Auch gibt es Jahre, da sind bestimmte Pflanzen mit dem Blühen zwei Wochen auseinander und in manchen Jahren nur 2 Tage...


    Auch habe ich in den letzten 5 Jahren schon in zwei Jahren HRs gegeben ohne eine Tracht zu erwarten, aber um die zu erwartende Bienenmasse aufzunehen...


    Die Bienen stellen sich darauf ein, entsprechend ist deren Entwicklungsfortschritt ( mit den üblichen Variationen)

    Das würde ich unterschreiben. Nur in manchen Jahen ist der Entwicklungsfortschritt der Flora vor der Fauna und in anderen Jahren kann das umgekehrt sein...

    Was mir allerdings nicht klar ist, was sind "üblichen Variationen" - in den letzten Jahren habe ich eine Veränderung in den Abläufen gesehen, da ist für mich nichts mehr "üblich"...

  • was sind "üblichen Variationen" - in den letzten Jahren habe ich eine Veränderung in den Abläufen gesehen, da ist für mich nichts mehr "üblich"...

    Damit wollte ich auf die unterschiedliche Genetik in den Völkern hinweisen. Es gibt z.B. momentan bei mir 2 bis 3 Kandidaten, die sind auch bei Nieselregen und kühlen 6 °C unterwegs. Dagegen hocken die meisten Anderen noch in den Kisten und kommen erst bei Sonnenschein z.B. mittags mal raus.


    Die lokalen Verhältnisse sind hier durch die umliegenden Seen geprägt, so auch der Frühlingsfortschritt. Es dauert hier länger, weil die Wassererwärmung auch langsam vonstatten geht. Momentan blühen die Zwiebelpflanzen und die Cornelkirschen, sonst noch nichts.

  • Hier gehen jetzt die Kornelkirschen auf, Weiden habe ich noch keine im Umkreis gefunden. Letztes Jahr war mein erstes am Rand von Berlin und da hatte ich sie früh aufgesetzt. Damit war ich im Nachhinein aber nicht so glücklich, weil lange nichts passierte. Demnach tue ich mich gerade schwer damit, die HR jetzt schon aufzusetzen. :/

    "Immer wenn man die Meinung der Mehrheit teilt, ist es Zeit, sich zu besinnen." Mark Twain

  • Ich habe in meine Völker geschaut um das Futter zu kontrollieren und auch zu sehen, wie weit sie sind. Bisher ist nicht mal die Durchlenzung durch und daher habe ich sicher noch 2-3 Wochen zeit. Die Saalweiden sind bei uns auch noch nicht soweit. Doch mal schauen, ob die alte Weisheit dieses Jahr bei uns ungefähr passt.

  • in wärmere Regionen

    wärmer als was?

    Schade um die Lesezeit (wieder mal).

    Bei uns waren die Völker zwischen Mitte April bis Anfang Mai aufsetzereif

    Genau das meinte Beemax doch. Die Monate haben sich verschoben, aber die Zusammenhänge der Pflanzenentwicklung und der Bienenentwicklung nicht.

    Ich stelle fest, dass die alten phänologischen Faustregeln zur Völkerführung immer unnützer werden.

    Nö. Du musst dir nur die richtigen raussuchen. Gibt doch genug. :S

  • Zur Weidenblüte aufsetzen kannte ich nicht, dachte, das hieß klassisch zur Kirschblüte?


    Natürlich hängts auch vom System ab. Ein Zweizarger DN hat länger Platz als ein Dadant auf 4 BW geschiedet.


    Ich beobachte schon, dass in vielen Jahren es früh im Jahr so warm wird, dass alles fast gleichzeitig blüht. Sieht man übrigens auch bei den Lurchen: Grasfrösche waren immer schon ab Februar am Laichen und die Erdkröten viel später. Jetzt kann man manchmal Froschmännchen auf Krötenweibchen sitzen sehen, tragische Verwechselung durch Klimawandel ;)


    Normalerweise reduzieren wir zu Beginn der Wildkirschenblüte oder etwas vorher auf einen Brutraum DN und geben normal starken Völkern gleich 2 Honigräume. Da auch Leerwaben und Futterwaben mit hochkommen, sind die Honigräume sofort angenommen. Da die Frühjahre aber zuletzt so rasant waren, kamen wir mit der Arbeit nicht nach und sind einfach rumgefahren, um Honigräume draufzuwerfen, bevor ihnen der Platz ausging.

    Es ist manchmal erstaunlich, wie schnell die Bienen dann doch den Vegetationsvorsprung aufholen können.

  • Na wenn ich das so lese, werde ich wohl doch am Wochenende die MW einlöten müssen. Ich liege ja zwischen Hagakure und beemax - wenn ihr den ersten HR aufsetzt bin ich auch dabei ;)

    Gruß Holger

    Ich habe doch gesagt, dass ich wahrscheinlich noch warten werde, obwohl das Wochenende sich schon verlockend liest von den Prognosen her. ^^ Vielleicht kommt ja noch ein West-Brandenburger oder Berliner und sagt was dazu. 8)

    "Immer wenn man die Meinung der Mehrheit teilt, ist es Zeit, sich zu besinnen." Mark Twain

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