Teil 1:
In einigen parallelen Threads geht es schon sehr stark vom Thema weg.
Darum möchte ich mal einige ältere Artikel von mir verweisen, die nicht für unbedingt für jeden erreichbar sein könnten uns aber viel mehr über den Selektionsweg sprechen lassen können.
Selektion auf Recapping in der Varroaresistenzzucht - Hilfe oder Irrweg?
Zum Recapping geistern unter der Imkerschaft teilweise verschiedene Vorstellungen und syntaktische Anwendungen, die ich mit diesem Beitrag einmal etwas in die richtige Richtung bringen möchte.
Was ist Recapping?
Recapping ist eine Fähigkeit verschiedener Spezialisten im Bienenvolk Brutzellen zu öffnen und wieder zu verschließen.
Spezielle Bienen stellen fest, das irgend etwas mit einer Brutzelle (Arbeiterin/Drohnen) nicht in Ordnung ist. Sie öffnen die Brutzellen mit einem kleinem Loch (ca 0,5mm bis 1mm). Hier gibt es mehrer Gründe warum das sein kann. Ein Beispiel wäre die Temperatur der darunterliegenden Brutzelle ist nicht stimmig (Wärmeabgabe bei der Metamorphose), weil eine Larve abgestorben ist. Oder der Geruch aus der Zelle erregt die Aufmersamkeit einer spezialisierten Biene, die darauf konditioniert ist (erblich/erlernt). Bei Königinzellen habe ich das so noch nicht beobachtet, evt wird dann gleich die ganze Zelle abgebaut.
Im weiteren Verlauf wird angenommen, kümmern sich weitere Spezialisten um die weitere Öffnung der Zelle und andere Bienenspezialisten wieder um das mögliche Ausräumen der so reklamierten Larve. Der letzte Vorgang gehört nicht zum Recapping, denn ein Recapping Vorgang ist abgeschlossen, wenn die Zelle nach der Öffnung wieder verschlossen wird, ohne das die Larve in der Zelle angefasst wurde.
Im Fall des Ausräumens kommt es zu keinem Recapping, sondern zu einer Neubelegung der Zelle mit einem frischen Ei durch die Königin. Dadurch kommt es wieder zu einem VSH typischen Brutbild (Varroasensitive Bruthygiene), wo auf kleinem Raum Larven unterschiedlichen Alters zu finden sind.
Zellen die nach einer Öffnung offen bleiben nenne ich kahlköpfige Brut und zählen nicht zum Recapping, da sie nicht wieder verschlossen werden.
Zellen, bei denen der Öffnungspunkt bis vor den Schlupf bleibt, habe ich persönlich noch nicht gesehen.
Was interpretieren wir in dieses Recappingverhalten eines Bienenvolkes.
Nach Erkenntnissen aus tausenden Brutwabenuntersuchungen wurde ermittelt, das Recapping die Varroamilbenreproduktion behindert.
Was heisst das?
Hier mal meine Interpretation.
Nach dem Öffnen der Brutzelle nimmt die Brutzelle verstärkt am Geruchsaustausch des gesamten Volkes teil und Pheromone der Larve werden verdünnt. Milben in den Brutzellen können durch die veränderten Bedingung aus der Zelle auswandern und werden damit in ihrer Reproduktion gestört.
Je nachdem, wann die Brutzelle geöffnet wird und ob eine Muttermilbe dort auswandert, hat sie schon Nachkommen oder auch nicht.
Durch die Störung des Milbenreproduktionszylus braucht die Muttermilbe wieder eine kurze Zeit, bis dieser Vorgang neu gestartet wird und sie wieder in eine neue Brutzelle im passendem Stadium einwandert. Somit verlängert sich die Zeit bis sich so eine Milbe erfolgreich reproduzieren kann und evt. auf Grund des Alter infertil (unfruchtbar) wird und dann verstirbt.
Wie erkennt man Recapping?
Öffnet man den Deckel einer Brutzelle nach dem Verpuppungsstadium (Stichwort Nymphenhaut) kann man unter dem Mikrokop (20x) im Brutzellendeckel eine Störung der Nymphenhaut erkennen. Die seidig glänzende Oberfläche (Gespinst) ist durchbrochen und mit körnigen Wachspartikel wieder aufgefüllt. Bildlich sieht das etwas wie Streuselkuchen aus.
Somit hätten wir eine gemeinsame Ausgangsbasis für die Betrachtung: Ist Selektion auf Recapping eine Hilfe oder eher ein Irrweg bei der Varroaresistenzzucht.
Jede Arbeit im Bienenstock erfordert eine notwendige Menge an "Personal" wenn sie erfolgreich sein soll. Dieses Personal steht für andere Aufgaben nicht zur Verfügung, verbraucht Vorräte und Energie auf das Bienenvolk gesamt bezogen.
Die Natur ist nach meinem Verständnis grundsätzlich minimalistisch. Nur Individuen oder Gruppen, die mit möglicht wenig Vorräten überaus genügsam sind, sich darüber hinaus erfolgreich fortpflanzen und sich und ihre Vorräte verteidigen, können langfristig in ihrem Habbitat überleben.
Bei Auszählungen nach dem Kirchhainer Protokoll ermitteln wir auch diesen Wert bezogen auf Recapping insgesamt und Recapping infizierter Zellen. Viele Mitstreiter freuen sich wenn sie Völker finden, die ein Recapping aufweisen. Ja das kann ich verstehen, da es ein Ausdruck dafür sind, da passiert etwas im Volk und jemand agiert dort im Zusammenhang mit Milben.
Allerdings sehe ich in den bisher ausgezählten Völkern über mehrere Jahre Völker mit sehr sehr hohen Recappingwerten, als auch nahezu 0 Recapping ohne das dies ein wesentlichen Einfluß auf das Überleben gehabt hätten.
Für mich ist nur nach Recapping als eine Ressourcenverschwendung zu sehen und damit kein Selektionsgrund. Damit meine ich Völker die einfach pauschal ohne erkennbare Gründe Zellen aufreißen und wieder verschließen. Anders kann ich bei 300 ausgezählten Zellen nicht den Wert von über 200 geöffneten Zellen bewerten, denn bei so einem hohen Milbenbefall, geht so ein Volk unweigerlich ein. Diese Völker bekommen bei mir eine Negativbetrachtung bei der weiteren Selektion.
Ich möchte damit nicht sagen, das dieses Verhalten grundsätzlich Quatsch ist.
Darum ist für mich ein kleiner Recappingwert insgesamt interessant, aber Zellen die befallen sind/waren sollten in der Reprodution behindert sein.
Damit sollte der Wert Rec (Anzahl recapter Zellen zu gesamt gezählten Zellen) klein und der Wert Rec(inf) (Anzahl infizierter recapter Zellen) hoch sein.
Diesen Rec(inf) Wert würde ich erfassungstechnisch ändern in Rec(inf-nr) Recapping infiziert nicht reproduziert. Diesen Wert zusammen mit dem absoluten Brutbefall würde ich dann zu einer Selektionsentscheidung nach dem Überlebenstest herannehmen.
Dass heisst geringer Brutbefall, geringes Rec gesamt und hoher Rec(inf-nr) wäre für mich ein guter Wert anhand dessen man eine Selektionsentscheidung treffen könnte.
Vom Brutbild wünsche ich mir eine VSH typische Erscheinungsform und kahlköpfige Brut. Kahlköpfige Brut ist für mich die Vorstufe vor dem Ausfressen der Larve.
Warum ist das wichtig?
Eine von einer Milbe angestochene Larve in der Brutzelle die als Biene schlüpft schädigt das Bienenvolk weiter zusätzlich. Einmal auf grund der minimierten Lebenszeit kann sie nicht so intensiv wie eine gesunde Biene für das Wohlergehen des Volkes beitragen. Angestochene Larven virusinfizierter Varroamilben geben im Lebenszyklus auch weiter Viren, als Amme oder Baubiene mit Futtersaft und Speichel an das Bienenvolk ab und dient einmal als Virusbrutstätte und Verteiler dessen.
Also sind angestochen recappte Larven so gesehen nicht unterdrückte Virenschleudern.
Bei ausgefressenen Larven, schlüpft so eine Biene nicht mehr und nimmt nicht mehr im Vermehrungs- und Verteilungszyklus der Viren teil.
Kann man dann von virentoleranteren Völkern sprechen?
Nein - ich sehe das als VSH Verhalten und Recapping allein ist für mich salopp gesagt "VSH für Arme".
Fazit:
In meiner Praxis hat sich gezeigt, das pauschales Recapping das Volk eher behindern mag, als nutzt. Darum orientiere ich mich eher am natürlichem Selektionsansatz nach obigen Betrachtungen.
Da mir persönlich die situationsbedingten SMR Auszählungswerte und Prozente egal sind, orientiere ich mich grundsätzlich zuerst am Brutbefall und dann am Überlebenstest (Bondtest).
So kann ich schnell für mich die potentiellen Linien ausselektieren, lebe allerdings mit dem Verlust evt schlummernder genetisch aussichtsreicher Linien, die irgendwann einmal erfolgreich varroasensitives Verhalten zeigen würden.
Wenn man dann mehrere Linien über den groberen Weg ausselektiert hat, kann es durchaus erforderlich sein weitere Entscheidungskriterien zur Auswahl mit heran zu nehmen.
Davon bin ich jedoch noch entfernt und oft werden mir Entscheidungen auch einfach durch die natürliche Selektion abgenommen.
Liebe Grüße Bernd.