Den gängigen und ständig wiederholten Beschreibungen zufolge sollen Bienen Zuckerwasser riechen können, den käuflichen Sirup aber nicht oder weniger, so dass bei Verwendung von Zuckerwasser mehr Räuberei auftreten soll als bei fertigem Sirup.
Meine Beobachtung:
Ich benutze Zuckerwasser in Futtertaschen und lasse manchmal die letzten Tropfen aus der Flasche auf die Oberträger fallen. Mir ist dabei aufgefallen, dass die meisten Bienen sich erst mal nicht darum kümmern, auch wenn das Volk zu dem Zeitpunkt eher hungrig sein musste. Die Bienen laufen die längste Zeit an diesen Tropfen vorbei und beschäftigen sich erst damit, wenn sie zufällig in einen hineinlaufen. Irgendwann haben sie dann kapiert, dass es auf den Oberträgern was gibt, und dann wird das auch verputzt. Da ich nicht immer die freie Auswahl habe, wann ich Bienen füttere, tue ich das auch schon mal mittags oder vormittags, im Hochsommer, mitten im Bienenflug. Räuberei habe ich dabei noch nicht erlebt. Ich arbeite dabei aber auch immer sehr sauber und verschließe die verwendeten leeren Flaschen sofort wieder. Außerdem habe ich nicht viele Völker, so dass sich die Nachricht ggf. nicht lange verbreiten kann, bevor alles wieder zu ist.
Meine Überlegung:
Zuckerwasser ist aufgelöster Haushaltszucker, also Saccharose. Saccharose ist ein Disaccharid und besteht aus den beiden miteinander verknüpften Untereinheiten Glucose und Fructose.
Invertzuckersirup wird aus Saccharose hergestellt, dazu wird die Saccharose enzymatisch in ihre zwei Einfachzucker gespalten. Apiinvert besteht nach Herstellerangaben ungefähr zu je einem Drittel aus Glucose, Fructose und Saccharose.
Bienenfutter aus Stärkeprodukten wird durch den Abbau von Stärke hergestellt. Stärke besteht aus langen Glucoseketten. Je nach Größe des abgespaltenen Produkts entstehen also Glucose (Monomer), Maltose (Dimer) und diverse kürzere und längere Restketten.
Meine Frage:
Wieso sollte die an allen Ecken und Enden Wassermoleküle anlagernde und außerdem doppelt so große Saccharose überhaupt in wässriger Lösung flüchtig sein, so dass eine herumfliegende Biene sie riechen kann? Und selbst wenn das so wäre, dann müssten doch die halb so großen Monomere Fructose und Glucose noch viel besser riechbar sein! Es wäre doch wirklich evolutiver Blödsinn, wenn die Bienen die aus den genannten physikalischen Gründen viel weniger in der Luft herumschwirrende Saccharose eher riechen könnten als die als Nahrung mindestens ebenso wichtigen Zucker Fructose und Glucose.
Das Experiment:
Den Vormittag habe ich für ein Experiment zum Geruch von Saccharose genutzt. Ich habe je 3 ml Zuckerwasser (1:1) und 3 ml einfaches Leitungswasser in flache Schalen in die Einflugschneise eines Bienenvolkes gestellt, so dass sich Oberflächen von je ca 5 cm Durchmesser ergaben. Die Bienen sind in 5-10 cm Höhe darüber hinweg geflogen. Innerhalb von zwei Stunden haben zwei Bienen eine Bruchlandung im Zuckerwasser gemacht (sie waren jedenfalls ganz bekleckert, ich war kurz nicht anwesend) und haben sich ausführlich dort geputzt. Dem ganzen Rest war das vollkommen egal. Eine Biene stieß zu Fuß zuerst auf die Zuckerschale, nahm davon und flog wieder in den Stock. Eine Biene flog einige Minuten Achter um die beiden Schalen, landete aber nicht und zeigte auch kein bevorzugtes Interesse an der Zuckerschale. Als ich die Plätze der beiden Schalen wechselte, war keine Änderung feststellbar, die Biene zog letztendlich wieder ab. Sonst ist nichts passiert. Der Bienenflug war normal. Entweder muss es irgendwo was geben, was die Anwesenheit von Zuckerwasser vor der Haustür absolut toppt oder sie können es doch nicht so einfach riechen.
Meine These:
Den immer wieder genannten Unterschied zwischen Zuckerwasser und Sirup hinsichtlich der Riechbarkeit durch die Bienen gibt es nicht. Dieser Aspekt wird auch zB im Verkaufsprospekt von Südzucker nicht beworben - und das würde er doch sicherlich, wenn was dran wäre, oder?
Ende dieser langen Mail
Kikibee