Hallo,
Heute (22.01.2014) in Welt-Online: Die Welt: Bienen stecken sich beim Bestäuben von Pflanzen an
Zitat: "Honigbienen übertragen Pflanzenviren von Blüte zu Blüte. Nun haben Forscher herausgefunden, dass diese auch die Tiere selbst infizieren können."
Desweiteren findet sich dort: "[...] Zudem stellten die Forscher fest, dass infizierte Königinnen infizierte Eier legten."
Die Meldung wird wohl von Pressediensten stammen und demnächst in vielen Magazinen auftauchen, z.B. auch in Spiegel Online: Honigbienen: Blütenkontakt kann für Insekten tödlich sein
Als ob bienenspezifische Viren wie Deformed Wing Virus oder Bee Paralysis Virus nicht schon Ärger genug machen würden - einer Veröffentlichung von chinesischen und US-Forschern zufolge werden bestimmte Pflanzenviren (genauer: TRSV - Tobacco Ringspot Virus) nicht nur von Bienen übertragen, sondern können diese auch infizieren und sich in ihnen vermehren. Völker mit hohen TRSV-Infektionsraten würden deutlich geschwächt. Und die Varroamilbe trägt auch hier zur Verbreitung bei.
Der Tabak Ringflecken-Virus ist ein weit verbreiteter, schädlicher Pflanzenvirus, der keineswegs nur auf Tabak beschränkt ist. Bisher hatte ich es für unmöglich gehalten, dass ein Virus sowohl Pflanzen als auch Tiere infizieren kann.
Original-Artikel in der Zeitschrift 'mBio': Systemic Spread and Propagation of a Plant-Pathogenic Virus in European Honeybees
Den Artikel gibt es sogar als Fulltext-PDF.
Bei genauerem Lesen des Abstracts findet sich dann zwar der Satz: "The tree topology indicated that the TRSVs from arthropod hosts shared a common ancestor with those from plant hosts and subsequently evolved as a distinct lineage after transkingdom host alteration."
Es ist also doch nicht so, dass Bienen sich jederzeit an infizierten Pflanzen anstecken, sondern TRS-Viren in Bienen und solche aus Pflanzen sind sehr eng verwandt, es hat also irgendwann mal ein Übergang stattgefunden.
Und die Sache mit den Königinnen und den infizierten Eiern: auf der ersten Textseite des Original-Artikels, ganz unten findet sich: "Furthermore, the study by Singh et al. (11) showed that viruses in the pollen were infective, as illustrated by the fact that queens became infected and laid infected eggs after virus-negative colonies consumed virus-contaminated foods." So wie ich den Text drumherum verstehe geht es bei diesem Satz aber nicht um den Ringspot-Virus, sondern um andere bekannte Bienenviren. Da hat jemand bei der Übersetzung bzw. der Zusammenfassung vermutlich etwas geschludert.
Trotzdem finde ich das ganze beunruhigend. Und erhellend, denn in dem Artikel geht es auch um andere für Bienen pathogene Viren, und die werden meiner Meinung nach von dem meisten Imkern in ihren Überlegungen zu Völkerverlusten zuwenig beachtet. Bestenfalls als ein Symptom von zu hohem Varroa-Befallsgrad. Aber Viren können sich eben auch in den Bienen vermehren und über die Nahrung übertragen werden. Auf Seite 3 des englischsprachigen Original-Artikels (Seitenzahl unten auf der Seite, nicht oben im PDF-Reader), ganz unten beginnt ein für uns in meinen Augen besonders relevanter Abschnitt: "Of ten bee colonies included in this study, six were classified as described in Materials and Methods as strong colonies and four were classified as weak colonies. Both TRSV and IAPV were absent in bees from strong colonies in any month, but both were found in bees from weak colonies."
Also ungefähre Übersetzung: "Von den zehn in dieser Studie untersuchten Bienenvölkern, wurden sechs wie im Abschnitt 'Methoden' beschrieben als starke Völker klassifiziert und vier als schwache Völker. Sowohl TRSV als auch IAPV waren in keinem Monat in Bienen aus starken Völkern vorhanden, aber beide wurden in Bienen aus schwachen Völkern gefunden."
Wie generell bei wissenschaftlichen Themen stellt sich natürlich auch hier die Frage nach "Koinzidenz - Korrelation - Kausalität". Also was Zufall ist, was indirekt zusammenhängt und was einander direkt verursacht. Zufall halte ich für sehr unwahrscheinlich. Aber ob nun die Völker von den Viren geschwächt sind oder umgekehrt die Viren nur in schwachen Völkern die Oberhand gewinnen ist nicht klar. Falls die Viren die Ursache sind, dann wäre die Konsequenz: abschwefeln statt vereinigen. Falls es sich umgekehrt verhält und starke Völker sich besser wehren können, dann müsste man weniger starke Völker im Gegenteil möglichst oft und früh vereinigen.
Die bisherige Praxis bei der Königinnenzucht, nämlich Zuchtstoff nur aus starken Völkern und auch die Pflege der Königinnen in möglichst starken Völkern wäre auf jeden Fall richtig.
Aber für die Praxis der Varroaresistenzzüchtung könnten sich Konsequenzen ergeben. Und in meinen Augen sind die Virusinfektionen eine plausible Erklärung für Völkerverluste einschließlich CCD. Die Varroamilbe als beschleunigender Überträger, die imkerliche Praxis bei der Völkerführung und die Pflanzenschutzmittel als Schwächung des Immunsystems sind trotzdem beteiligt.
Aber die Viren könnten erklären, warum auch Völker zusammenbrechen, die nach der Varroabehandlung im Sommer kaum noch Milben hatten, oder warum ein Volk zusammenbricht und das daneben nicht. Und evtl. auch, was hinter den 'poor queens' stecken könnte, die die Amerikanische Berufsimker schonmal als Grund für Völkerzusammenbrüche angaben (Beispiel in: Dennis vanEgelsdorp, Jerry Hayes Jr., Robyn M. Underwood, Jeffery Pettis: A Survey of Honey Bee Colony Losses in the U.S., Fall 2007 to Spring 2008).
Grüße,
Robert