Guten Tag,
ich bin ein Anfänger im zweiten Bienenjahr.
Lange, bevor ich meine ersten beiden Schwärme bekam, habe ich gelesen, gelesen, gelesen. Neue Literatur, aber auch alte und z.T. uralte (sogar vor 1800). Das tue ich nach wie vor. Ich versuche auch, zu verstehen, wie in Nachbarländern mit Bienen umgegangen wird. Eine faszinierende Vielfalt von Erfahrungen und Praktiken, die mir meistens für sich genommen jeweils sehr gut nachvollziehbar erscheinen und sich dennoch oft völlig widersprechen ... Auch über Korbimkerei habe ich so viel wie möglich zu erfahren versucht und inzwischen verstanden, dass es noch ganz anderes als den Lüneburger Stülper gibt.
Die Warré-Beute hat mich sehr beeindruckt, und nachdem ich alles darüber gelesen hatte, was es zu lesen gab, leuchtete mir alles ein und ich fing an. Meine ersten beiden Schwärme haben den Winter leider nicht erlebt, geschweige denn überlebt, sie sind - obwohl nicht unmittelbar neben einander aufgestellt - im Herbst 2009 fast gleichzeitig vergangen. Eine eindeutige Erklärung dafür gab es nicht. Ganz unabhängig von diesem ersten Ende meiner Bienenhaltung finde ich bemerkenswert, dass beide Schwärme die doch sehr kleine Warré-Beute nur sehr zögerlich ausgebaut hatten - der eine Schwarm kaum zwei Zargen, der andere nur eine. Trachtverhältnisse sind am Standort sehr vielfältig (Streuobstwiesen, Bauerngarten, Wald, Gartenblumen, keine Agrarwüste).
Den Winter habe ich genutzt, um weitere Warré-Beuten zu bauen. Doch zugleich wurden die Zweifel stärker. Inzwischen hatte ich auch einige meiner Beuten zu einem Imker nach Belgien geschafft, um mir von ihm im kommenden Frühjahr weitere Schwärme einschlagen zu lassen. Dieser sehr nette Imker (ich kenne überhaupt nur sehr nette ...) hat mir dann von seinen durchwegs katastrophalen Erfahrungen mit der Warré berichtet: Mehrfach musste er die Erfahrung machen, dass in die Warré eingeschlagene Schwärme nach kurzer Zeit wieder auszogen. Dies habe er überhaupt nur mit diesem Beutentyp, mit keinem anderen erlebt.
Aus Belgien bekam ich in diesem Jahr keine Bienen, aber aus der Nachbarschaft. Da gab es inzwischen neben vielen Zander-Beuten auch eine Warré, plus meine beiden, die auf neue Schwärme warteten. Aber eigenartig: Die in die Warré-Beuten eingeschlagenen Schwärme mochten sich darin nicht halten, es gab auch hier "Desertionen". Schließlich hatte ich aber glücklich wieder zwei besiedelte Beuten.
Doch nach ein, zwei Wochen, oh Schreck: Das eine der beiden Völker schien mir weniger und weniger zu werden. Oder war ich schon hysterisch? Da die Beuten an der Rückseite Sichtfenster haben, konnte ich sehen: Die "Bautraube" war da - aber sie war sehr kompakt und nicht gerade groß. Wabenwerk konnte ich jedoch nicht erkennen - sehr ausgedehnt konnte der Bau also noch nicht sein. Nach einer weiteren (dritten) Woche war ich mir sicher: Hier stimmt etwas ganz und gar nicht. Die Beute wurde geöffnet, darin noch eine Handvoll lebender Bienen - und keinerlei Wabenwerk! Nicht das geringste Zeichen irgend einer Bautätigkeit!
Das Volk in der anderen Warré-Beute schien sich dagegen ganz ordentlich zu entwickeln, allerdings auch nicht "stark". (Zu Beginn des Winters saß es dann auf annähernd 2 Zargen).
Mittlerweile bin ich dann auch auf andere Berichte gestoßen, die meine Erfahrungen zu bestätigen schienen. Der südfranzösische Großimker Nicollet hat in diesem Jahr den Verkauf von Schwärmen/Völkern in Warré-Beuten völlig eingestellt, weil nach seiner Erklärung sehr viele Kunden über Misserfolg klagten, während es bei den Schwärmen/Völkern, die er in anderen Beuten verkauft habe, zu keinen nennenswerten Ausfällen gekommen sei. Da mir der Herr Nicollet einen intensiv geschäftstüchtigen Eindruck macht, kann ich mir kaum vorstellen, dass er sich die Einnahmen durch den Verkauf der offenbar stark nachgefragten Bienen in Warré-Beuten "einfach so" oder aus ideologischer Abwehr entgehen lässt.
So - ich will nun keineswegs die Warré-Beute für allgemein ungeeignet erklären. Dazu fehlt mir die Kompetenz. Außerdem ist mir klar, dass jeder einzelne Fall des Scheiterns komplexe Ursachen haben mag, und dass in vielen Fällen eine eindeutige Erklärung nicht zu finden ist. Andererseits aber kann die unabhängig von einander gemachte Erfahrung eines belgischen und eines französischen Imkers, dass es mit dieser Beute - und nur mit dieser! - besondere Probleme gibt, auch nicht einfach vom Tisch gewischt werden.
Mich würde sehr interessieren, hier einmal von Warré-Imkern zu hören, die schon über mehrjährige Erfahrungen verfügen - nicht erst seit letztem Jahr. Ich habe nämlich sehr viele begeisterte Äußerungen von Imkern gefunden, die gerade angefangen haben, oder noch anfangen werden - habe aber nicht das Gefühl, dass ich weiß, was aus all dem Enthusiasmus geworden ist.
Persönlich würde ich gerne mit der Warré-Beute weiter machen, denn das Prinzip ist mir nach wie vor sehr sympathisch. Letzten Endes muss es aber nicht um meine, sondern um die Sympathien der Bienen gehen ... Keinesfalls würde ich mich aber weiterhin in der Hauptsache auf Warré stützen, sondern ich würde diesen Beuten-Typ bis auf weiteres nur noch "mitlaufen" lassen. (Statt dessen vermutlich in der Hauptsache Voirnot ... und ich ahne schon, was ich jetzt zu hören bekommen werde.)
Wie gesagt, es geht mir nicht darum, jetzt einfach Warré-Enthusiasmus durch Warré-Ablehnung zu ersetzen. Sondern um einen vorbehaltlosen Erfahrungsaustausch und um den Versuch, die eigenen Erfahrungen zu verstehen.
Ach ja, am Ende dieser langen Epistel noch: Gutes neues Jahr.