Selektionskriterien für Varroatoleranz
-
-
Rudi,
beehead
-
Hallo zusammen,
jetzt schreib ich doch noch was.
OT sind wir ja sowieso achon, und das angeschnittene Thema fordert heraus.
Zitat von AtoubaWie hat sich die Honigleistung in den letzten 30 Jahren entwickelt ? Ich schätze sie hat sich verdoppelt. Im Angesicht eines Brutparasiten ein bemerkenswerter Umstand.
Stimmt, der Varroa haben wir in diesem Zusammanhang sehr viel zu verdanken.
Wieso? Ganz einfach: Vor etwas mehr als 30 Jahren, als ich anfing zu imkern, war das Wort "Imkerpate" noch völlig unbekannt. Und genau so unbekannt war die freizügige Unterstützung von Imkern untereinander. Tipps wurden spärlich und nur hinter vorgehaltener Hand weitergegeben.
Kam doch mal ein Kollege zu Besuch, ging die Tür des Bienenhauses zu und das Gespräch fand vorzugsweise am Gartentor statt.
Unterstützung von Anfängern erschöpfte sich in der Regel im preiswerten Verkauf von alten Beuten mit (nicht ganz so alten) Waben und einem "kleinen Ableger".
Das änderte sich radikal und rasend schnell, als die Varroa zu uns kam.
Auf einmal lockerten die Imker ihre Konkurrenz, rückten angesichts der großen Bedrohung enger zusammen. Es gab plötzlich viele Versammlungen mit vielen wissensdurstigen und aufmerksam zuhörenden Besuchern. Die Imker lernten, offen ihre Fragen zu stellen und genauso offen ihre Antworten zu geben.
Die Bienenhaustüren gingen auf - und die Kästen ebenfalls.
Die Folge war ein enormer Zuwachs an imkerlichem Wissen und Können in unseren Imkereien. Und die Betriebsmittel wurden innerhalb von 15 - 20 Jahren nahezu komplett ausgetauscht.
Was ich damit sagen will:
Man kann aus der Tatsache der höheren Durchschnittserträge wirklich nicht ableiten, dass dies im Wesentlichen die Wirkung einer Überzüchtung unserer Bienen sei. Von der "10000-Liter-Turbo-Kuh" sind wir noch meilenweit entfernt. Glücklicherweise.
Die oben angesprochene Qualifizierung hat für die Erhöhung des Durchschnittsertrages unserer Imkereien eine höhere Bedeutung, als Zuchtfortschritte, Rapsanbau und Klimaerwärmung zusammen.
Das wird auch deutlich, wenn man die Imker betrachtet, die - aus welchem Grund auch immer - den beschriebenen Strukturwandel nicht mitgemacht haben: Die ernten mit den heutigen Bienen nicht wesentlich mehr als damals, auch wenn nebenan der Honig nach "Zentner" berechnet wird.
Zitat von SabineInteressanter wäre es, die durchschnittliche Volksgröße/Brutzellenanzahl von 1975 und heute zu kennen
Ob das uns weiterhelfen würde? Ich glaube nicht.
Die in 1975 gehaltenen Völker stellten ja nicht das "Bienennormal" dar, das wir nur wieder herstellen müssen - und Alles wird gut. Bedenke: Damals wurden die Völker zum Winter hin "eingeengt", "Bienenbärte" wurden regelrecht abgetrieben. Hauptsächlich um Winterfutter zu sparen. Das war hier und da fast zum Sport geworden.
Das sich frei entwickelnde, vitale Bienenvolk gab es bei uns erst nach Varroa - siehe oben.
Aber Du willst ja auf die besseren Überlebenschancen der kleineren Völker hinaus. Ich glaube, auch das ist leider eine Sackgasse. Die kleinen Völker unserer "Alten Fritze" der 80er Jahre haben sich keinesfalls tapfer gegen Varroa geschlagen. Und da war mancher dabei, der nicht oder nur halbherzig behandelt hat - Gelegenheit wäre also gewesen.
In der Regel waren die vitalen Völker der Nachbarn im Vorteil. Dort gab es meist auch genügend Bienen, um die Ausfälle der "Alten Fritze" zu ersetzen.
Ich bleibe dabei:
Wir sollten in unseren Regionen das "bessere Drittel" der Völker erkennen und begünstigen. Am Besten durch breite Vermehrung bei Standbegattung.
Die dabei entstehende Auslese hat mit Überzüchtungstendenzen überhaupt nichts zu tun. Diese Kritik ist völlig unangebracht.
Die breite Vernmehrung bei Standbegattung hat eher das direkte Gegeteil im Blick.
Zitat von Atouba... die Heerscharen an Varroatoleranzzüchtern die hier durch euch rekrutiert werden ...
Jetzt wolltest Du zur Abwechslung mal einen Witz machen, richtig? Es ist Dir gelungen.
Nix für ungut durch meine überflüssigen Gedanken und viele Grüße,
Rudi -
Was ich damit sagen will:
Man kann aus der Tatsache der höheren Durchschnittserträge wirklich nicht ableiten, dass dies im Wesentlichen die Wirkung einer Überzüchtung unserer Bienen sei. Von der "10000-Liter-Turbo-Kuh" sind wir noch meilenweit entfernt. Glücklicherweise.
Zustimmung! Man kann die Züchtung der Honigbiene nicht mit der Züchtung anderer Tiere vergleichen. [Allerdings nur aus einem Grund: Mit Bienenzüchtung kann man nicht reich werden]
Die gestiegenen Erträge kann man nach meinem Dafürhalten zurückführen auf:
- veränderte Betriebsweisen (mehr Raumgabe etc.)
- verändertes Klima (wärmer!)
- Züchtung.
Die in 1975 gehaltenen Völker stellten ja nicht das "Bienennormal" dar, das wir nur wieder herstellen müssen - und Alles wird gut.Nö, das waren sie auf keinen Fall: DNM, auf 8 Waben einwintern. Völker auf maximal 2x14 DNM-Waben.
Ich bleibe dabei:
Wir sollten in unseren Regionen das "bessere Drittel" der Völker erkennen und begünstigen. Am Besten durch breite Vermehrung bei Standbegattung.
Die dabei entstehende Auslese hat mit Überzüchtungstendenzen überhaupt nichts zu tun. Diese Kritik ist völlig unangebracht.
Die breite Vernmehrung bei Standbegattung hat eher das direkte Gegeteil im Blick.
Dem ist nichts hinzuzufügen. -
nassauer: Zustimmung. Aber warum nennst du allein die breite Vermehrung bei Standbegattung als Methode? Ich persönlich finde die Vermehrung aus den besten Völkern, eventuell sogar "des" besten Volks, bei Belegstellenbegattung besser, da hier erstens besseres Begattungsmaterial verwendet wird und zweitens gezielter Inzucht vermieden werden kann.
Gruß Ralph -
-
Hallo zusammen, hallo Ralph,
den von mir gewonnenen Zahlen (Beispiel siehe weiter oben) traue ich soweit, dass ich mit deren Hilfe das bessere und das schlechtere Drittel meiner Völker bestimmen kann. Aber auf dieser Grundlage ein einziges Volk als "das Beste" zu bestimmen - das ginge mir zu weit.So habe ich mich entschieden:
- Die Richtung muss stimmen, mehr nicht. Ansonsten muss die bestehende Vielfalt so breit wie möglich erhalten bleiben, deshalb nicht Zucht vom besten Volk, sondern Vermehrung aller Völker aus der "besseren" Gruppe.
- Um Inzucht muss ich mir bei Standbegattung keine Gedanken machen, das erledigen die Bienen ganz von alleine. Zum Beispiel befliegen Drohnen bevorzugt die Sammelplätze in Standnähe, während Königinnen in der Regel entfernte Sammelplätze aufsuchen.
- Mehrfachbegattung am Stand garantiert mir zudem, dass sich die Eigenschaften meiner "besseren" Völker mit den Eigenschaften der anderen erfolgreichen Völker aus der Region mischen und anreichern. Es kommen ja nur optimal aufgewachsene Drohnen überhaupt zum Paarungserfolg. (Das ist ein spannendes Thema, führt aber hier zu weit weg.)
Wer vom besten Volk nachziehen und die Jungfern dann kontrolliert paaren will, der hat eine andere Entscheidung getroffen - und es führen ja viele Wege nach Rom.
Der hat sich für's Züchten entschieden und muss noch viel mehr Kriterien in die Auswahl seiner Geschlechtstiere einfließen lassen, als ich das tue. Und er muss Stammbäume pflegen.
Ich bleibe bei meinem Leisten: Ich vermehre nur.
Viele Grüße,
Rudi -
Rudi,@all
das Umfeld positiv beeinflussen, ist nicht zu unterschätzen.
Eine Drohnenübermacht erst recht nicht. Ich bestärke jeden, der wenig selektiert, dass Drohnenbrut schneiden sehr wichtig ist.
Ich finde es richtig von den Besten zu vermehren und dabei meine ich nicht ausschließlich den Honigertrag. Meist fallen die von Rudi definierten Eigenschaften von Völkern bei etwas genauerer Beobachtung auf und oft haben diese mehrere auffällig gute Eigenschaften. Wichtig ist dabei, das man wirklich das beste Drittel im Auge behält und sich nicht auf irgend eine Gefühlsduselei einlässt.beehead
-
Wer vom besten Volk nachziehen und die Jungfern dann kontrolliert paaren will, der hat eine andere Entscheidung getroffen - und es führen ja viele Wege nach Rom.
Hallo Rudi,gerade weil viele Wege nach Rom führen, sollten wir sie auch ausprobieren.
Ich möchte Ralph deshalb ausdrücklich ermuntern, einen Teil seiner Jungfern auf einer VT-Belegstelle, den Rest auf dem eigenen Stand zur Begattung zu bringen und anschließend zu kontrollieren (Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser), welcher Teil die Milben besser in Schach halten kann.
Mit freundlichen Grüßen
Rubikon -
Moin,
ZitatMeist fallen die von Rudi definierten Eigenschaften von Völkern bei etwas genauerer Beobachtung auf und oft haben diese mehrere auffällig gute Eigenschaften. Wichtig ist dabei, das man wirklich das beste Drittel im Auge behält und sich nicht auf irgend eine Gefühlsduselei einlässt.
Äh, ich möchte nur noch mal kurz anmerken, daß es mindestens genauso viele "schlechte" Völker geben muß, die genauso ins Auge fallen, auch mit mehrfach "schlechten" Eigenschaften - Gauß'sche Normalverteilung.
Wald&Wiese dürfte ein Lied davon singen können, daß die Anpaarung zweier "optimaler" Tiere keinesfalls nur das Beste davon hervorbringt...
Des weiteren wissen wir nach wie vor nicht, was bei Bienen tatsächlich "gute" Eigenschaften für SIE sind, und nicht bloß aus Imkersicht.
Was wäre denn, wenn z.B. die bemäkelten etwas "griffigeren" Kefuss-Bienen die optimale Lösung für chemiefreie Imkerei darstellen würden?
Würdet ihr bei so einem Ergebnis damit einverstanden sein, oder erstickt ihr jeden Ansatz wg der Stichigkeit von vornherein, wegen der Nachbarn etc.?
Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob wir da nicht einen Fehler machen (nein, ich will auch keine Stecher mit 300m Verfolgungsdistanz!), aber viele Eigenschaften, die ein Wildtier überleben lassen, werden bei Haustieren als erstes weggezüchtet, damit sie besser zu handeln sind.
Was aber einmal rausselektiert ist, ist unwiderruflich weg. -
sabi(e)ne,
wirklich sicher bin ich mir auch nicht. Das wird wohl die Zukunft zeigen, ob ich richtig lag oder nicht.
Auf jeden Fall gibt es auch sanfte Völker die die Varroa besser ab können, hab ich heute erst wieder feststellen können.
Es gibt auch welche die diesen Winter besser ab können und welche, die es nicht können.
Sicher bin ich mir an einem Punkt, Spechte können meine Bienen nicht ab, das kostet sie das Leben ( Mir hat gestern eine Berufsimker erzählt, dass ihm 200!! Beuten aufgeklopft wurden)
Wenn wir genau wissen würden nach welchen Kriterien wir auslesen müssen, hätten wir die Toleranz schon erreicht. An dem Ansatz, dass wehrhaftere Völker ev. besser mit der Varroa klar kommen war ich auch schon, die Völker hat inzwischen die Varroa geholt.
Ich mach an der Stelle weiter an der ich jetzt stehe und hoffe, dass sich mit der Zeit eine Veränderung einstellt.beehead
-
-
Hallo zusammen,
Zitat von Rubikongerade weil viele Wege nach Rom führen, sollten wir sie auch ausprobieren.
Ganz genau so ist es gemeint, wenn ich sage, dass viele Wege nach Rom führen.
Wenn keiner was Genaues weiss, müssen halt viele was versuchen.Zitat von beeheadIch mach an der Stelle weiter an der ich jetzt stehe und hoffe, dass sich mit der Zeit eine Veränderung einstellt.
Genau so, ich bin dabei!
Viele Grüße,
Rudi -
Ola
ich vertrete die Auffassung, dass der Mensch die Biene nicht retten kann. Weiterhin bin ich der Meinung, dass man in den letzten 30 Jahren züchterisch geschlafen hat bezüglich der Varroatose. Statt dessen hat man u.a. an der Honigleistung gefeilt. Insofern begrüße ich ausdrücklich die Tendenz der Varroa mehr und mehr züchterische Relevanz einzuräumen.
In der Sache bin ich der Meinung, dass die Einrichtung großer Schutzzonen in denen nicht gegen Varroa behandelt werden darf, schnell zum Ziel führt. Im Erfolgsfall können die Zonen ausgedehnt werden. Geeignete Startzonen wären Naturschutzgebiete oder Nationalparks. Nachdem man nun 30 Jahre mit Behandlung gegen Varroa keinen Erfolg hatte, wäre es angebracht diese Niederlage einzugestehen und irgendwo Räume zu schaffen wo man die Bienen einfach mal in Ruhe lässt.
Mich inspiriert gerade das geniale Buch "Lebensraum Totholz" von Werner David, und das passt genau zum Thema...einfach den kosmischen Zensor mal machen lassen.
-
Oh, Werner ist auch hier angemeldet da, aber war das letzte Mal im April 2010 hier.
Und ja, ich stimme dir 100% zu.
-
Atouba: Meine Rede (die Sache mit den Nichtbehandlungsschutzzonen etc.)!!!
-
Als kleines Dankeschön gibt es das Forum in einer nahezu werbefreien Version.