Leider ein etwas längerer Erfahrungsbericht eines Berufsimkers aus Brandenburg. Er bat mich diesen Brief an den Landwirtschaftsminister Brandenburgs öffentlich zu machen.
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Landwirtschaftsminister XXXX - per eMail -
Hirschfelde, den 19.12.2008
Sehr geehrter Herr Minister XXXX
heute wende ich mich mit der Bitte um Aufmerksamkeit für die folgende – auch mich persönlich betreffende – Problematik an Sie.
Im vergangenen Jahr haben meine Frau und ich als praktizierende Erwerbsimker einen schweren Schlag hinnehmen müssen. Durch Vergiftung aufgrund Kontaminierung mit Pflanzenschutzmitteln haben wir am 21. Mai 2007 und dann nochmals am 02. August 2007 insgesamt 65 Bienenvölker verloren. Die auf unserem Grundstück befindlichen Bienen vergifteten sich in dem benachbarten Landwirtschaftbetrieb XXXX, deren Standort Sie ja auch persönlich kennen.
Obwohl dieser Betrieb den sogenannten integrierten Anbau betreibt, ist hier gravierend gegen die gute landwirtschaftliche Praxis, gegen das Pflanzenschutzgesetz und der Bienenschutzverordnung verstoßen worden – wir müssen es leider so ausdrücken und können dies auch belegen. (Die entsprechenden gerichtssicheren biologischen und chemischen Untersuchungen durch das Julius – Kühn – Institut liegen vor; zuvor haben Ihre Mitarbeiter vom Pflanzenschutzamt die Proben genommen).
Obwohl zumindest nach dem zweiten Schaden dem Betrieb hinlänglich durch uns und auch durch Ihre Mitarbeiter (Landesamt) klar gemacht wurde, dass hier Verstöße vorliegen, hat der Betrieb weiterhin gegen die Gesetze verstoßen. Wir wiesen auch nach unseren Schäden aus dem Jahr 2007 dem Betrieb im März 2008 Verstöße nach, weil er bei starkem Wind PSM als Spritzmittel so ausbrachte, dass ein benachbartes Rapsfeld (erste Blüten zeigten sich bereits) gleich mitgespritzt wurde (wir legten per DVD den Beweis Ihrem Landesamt vor); ähnlich arbeitete der Betrieb auch im April 2008. Wir wissen von Ihren Landesamtsmitarbeitern, dass hier wohl Auswertungen mit XXXX erfolgt sein sollen. Offensichtlich half das aber nicht viel, denn vom gleichen Betrieb sind wir wieder am 13. Oktober 2008 mit einer weiteren Bienenvergiftung beglückt wurden (bisher liegt nur der Bio-Test vor; alle durch das Pflanzenschutzamt vorgelegten Proben sind positiv; die chemische Analyse läuft noch).
Bitte verstehen Sie diesen Brief nicht als „Beschwerde“ über einen Wiederholungstäter im Obstbau. Dies werden wir schon mit dem Betrieb selbst klären; ein von uns eingereichtes Klageverfahren vor dem Landgericht Frankfurt / Oder läuft, da XXXX – trotz aller Beweise – abstreitet, Schuld am Tode unserer Bienenvölker zu sein. Wie die Schuldfrage zu sehen ist, wird das Gericht aufgrund der Fakten entscheiden. Was uns zu diesem Brief an Sie bewegt, geht viel weiter und tiefer in die Problematik hinein.
Wir alle wissen vom kontinuierlichen und zum Teil massivem Bienensterben in unserem Land, in Deutschland, in Europa und auch weltweit. Wenn man sich mit der Thematik näher beschäftigt wird immer klarer, dass es eben nicht das hohe Alter der Imker, die allseits zitierte Varroa - Milbe und die unbekannten Viren sind, die unsere Bienenvölker umbringen. Wenn sie die Imker in den großen Städten oder Naturgebieten befragen, so haben sie wenige Verluste; fragen sie die Imker, die ihre Bienen in landwirtschaftlich konventionell genutzten Flächen haben, so liegen meist gravierende Ausfälle vor. Es wird immer klarer, dass es die Wirkstoffe aus den sogenannten Pflanzen „schutz“ mitteln sind, die vergiftend auf die Bienenvölker wirken. Über diesen Fakt kann man nun lange diskutieren – er tritt aber unbestritten genau dann ein, wenn die Anwendung dieser Mittel nicht sachgemäß oder fahrlässig erfolgt bis hin zum Fakt, dass Landwirte Bienenschäden zumindest billigend in Kauf nehmen. Ein erstes Argument hören wir in solchen Fällen dann mit dem (fehlplatzierten) Ausspruch: diese Mittel sind schließlich zugelassen worden, also darf man sie auch benutzen. Eigentlich muß jedem Landwirt klar sein, dass so ein Bienenvolk eine Art Meldesystem ist dafür, dass bei seinem Zuschadenkommen eigentlich bereits auch schon der Boden, das Grundwasser und wir Menschen selbst über das essbare Produkt einen Schaden erlitten haben. Diese Überlegung scheinen offensichtlich viele nicht mehr zu sehen. Auch in der Darstellung der brandenburgischen Landwirtschaft in den Medien, nicht zuletzt im Internet, lesen wir nur selten das Wort „Biene“ im obigen Zusammenhang.
Wir dürfen an dieser Stelle einen sehr wichtigen Fakt nicht vergessen. Der Großteil der vorhandenen Bienenvölkern werden von Hobby – Imkern gepflegt. Sie haben jeweils wenige Völker und sie kennen sich oftmals auch nicht so aus mit der richtigen Deutung der Todesursachen. Diese Imker werden bei vorhandenen großen Verlusten auch nicht an den Rand der finanziellen Existenz gebracht – sie kämpfen nicht mehr, sie geben dann einfach die Imkerei auf, weil sie das wiederholte Bienensterben einfach nicht mehr hinnehmen wollen. Die Endkonsequenz der bienenleeren Räume im Land kennt man.
Aus diesen Gründen ist um so mehr wichtig die Arbeit der Kontrollmechanismen.
Im Zusammenhang mit unseren eigenen Bienenschäden vom vergangenen Jahr haben wir zunächst zu spüren bekommen, dass Kontrollen zumindest in dem hier betroffenen Bereich des integrierten Anbaus - nur halbherzig stattfanden; so stellte es sich für uns auf jeden Fall dar. Inzwischen wurden meine Frau und ich zum Gespräch in Ihr Haus gebeten. Wir haben mit Ihrem Herrn XXXX Standpunkte ausgetauscht und stehen nun unter dem Eindruck, dass Ihre Mitarbeiter künftig wesentlich sensibler die Bedeutung der Bienenvölker im Hinblick auf Schadensvermeidung betrachten werden. So gesehen war es also für alle ein gutes Gespräch – so hat es auch XXXX., gesehen, der zum Gespräche mit anwesend war.
Trotz diesem – wie wir sagen – guten Gespräch in Ihrem Hause bleibt nach wie vor für uns unverständlich, wie ein Betrieb, der 2007 zwei erhebliche Bienenschäden verursachte und in 2008 genau die selben Fehler begeht, immer noch die Zertifizierung als integrierter Anbaubetrieb vom Land Brandenburg bestätigt erhält, mit EU – Mitteln gefördert wird und von „Pro - Agro“ noch das Siegel verwenden darf. Bisher wurden dem Betrieb weder Kürzungen von den Direktbeihilfen, noch Rückforderungen der EU – Mittel angedroht bzw. vorgenommen. Dies ist jedenfalls unser Kenntnisstand per 15.12.2008, am Tag der Gespräche bei Herrn XXXX
Wir sehen hier einen erheblichen Verstoß gegenüber den gesetzlichen Vorschriften. Hier kann sich sogar der Verdacht aufzeigen, dass Subventionsbetrug betrieben wurde.
Was bedeuten die von Ihrem Haus unterstützten Zertifizierungen, wenn solche Verstöße vorliegen ? Wie lange wird der Verbraucher getäuscht über den Sinn einer solchen Zertifizierung, wenn er doch glaubt, es handelt sich hierbei um einen vorbildlichen Betrieb ?
Falls Ihnen ebenfalls der Verdacht des Subventionsbetruges kommen sollte, bitten wir Sie, dies entsprechend strafrechtlich anzuzeigen.
An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass nicht nur wir im Umfeld des XXXX Betriebes Schäden an den Bienenvölkern zu verzeichnen haben. Der ortsansässige Imker in XXXX selbst hat 2007 ca. 70 Bienenvölker eingewintert und davon ca. 90 % verloren. Ein Imker aus dem Nachbarort XXXX hatte 105 Bienenvölker eingewintert; davon blieben ganze 5 Völker übrig. In beiden Fällen war klar, dass die betroffenen Bienenvölker nicht an der Varroa und auch nicht durch imkerliche Fehler verendet sind. Beide Imker haben die Vergiftungen nicht rechtzeitig erkannt. Allein diese beiden Imker stehen nicht mehr mit ursprünglichem Völkerbestand zur Bestäubungsleistung zur Verfügung – sie bauen diese Bestände nicht mehr auf.
Wir haben die Hoffnung, dass Sie sich hier persönlich schnellstmöglich dieser Sacher annehmen; uns bleibt nur dieser Weg der politischen Ebene als vorletzte Konsequenz zum Schutz der Bienen, der Umwelt und der Verbraucher.
Bitte helfen Sie mit Ihrer Arbeit, sehr geehrter Herr Minister, dass dieser Zustand des weiteren „Verschwindens“ unserer Bienen aufgrund der obigen Darlegungen nicht mehr stattfindet.
Auch im Namen vieler Imker danken meine Frau und ich im voraus.
Mit freundlichem Gruß