Hallo,
das Lesen von Büchern steht hier ja gerade nicht so hoch im Kurs, ganz zu schweigen vom Lesen alter Bücher von toten Leuten...
Na ja, ich mach trotzdem ein Thema dazu auf und wer's nicht mag oder wem's zu lang ist: Ignoriert es halt einfach.
Dass ich von dem Imkerpionier Johann Ludwig Christ (17?? - 1813) und seinem Buch fasziniert bin, habe ich hier schon mal erzählt (...und schwer auf die Ohren bekommen! ).
Ein Sachverhalt hat mich beim Lesen des Buches besonders beeindruckt:
Wir wissen alle, dass die Ernten pro Volk 'früher' eher bescheiden waren. Noch 1980 wurden in Deutschland 15 kg als Durchschnittsertrag angenommen.
- Johannes Dzierzon (Erfinder des grössten Fortschritts in der Imkerei, des Mobilbaus mit Rähmchen.) erntete um 1850 von seinen 360 Völkern gerade mal 8 kg.
- Aber: Christ schildert um 1800 aus seiner Stabilbau-Imkerei, dass eine Ernte von mehr als 20 kg Honig 'nichts Besonderes' ist.
Wie das denn? Bessere Betriebstechnik ergibt weniger Honig?
Oder war Christ ein Schwindler?
Das wollte ich etwas genauer wissen und baute mir ein Christ'sches Magazin nach. Jetzt habe ich erste Ergebnisse und die sind schon erstaunlich.
Statt vieler Worte lasse ich Bilder sprechen:
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So steht die Beute seit letzter Woche. Überwintert hat das Volk auf 4 Zargen. Schwarmverhinderung habe ich in der ersten Rapswoche durch Schwarmvorwegnahme betrieben. Jetzt hat das Volk wieder eine junge Königin.
Eine Zarge hat übrigens knapp 12 Liter, das ist im Moment ein Raum von ca. 80 Liter.
Eine Zarge fasst gut 10 kg Honig (Das hab ich gemessen! ).
Jede Zarge hat hinten und an beiden Seiten ein kleines Fenster.
Diese Zarge mit feinstem Blütenhonig (...die vormals obere. Durch das rechte, hintere und linke Fenster gesehen.) habe ich letzte Woche geerntet und als Winterfutter im Honiglager verstaut.
Christ musste auch so imkern. Es gab noch keine Zuckerfütterung.
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So sah es aus, nachdem die obere Zarge abgehoben war. Wenn es auch anders scheint: Wir hatten das gleiche Frühjahr wie alle und auch bei uns brachten die letzten beiden Rapswochen nichts auf die Waage.
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Um das Brutnest herum lagert auch noch jede Menge Honig. Das ist die fünfte und die vierte Zarge von rechts gesehen.
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Bis hierhin gehört der gesamte Honig dem Bien. Unterm Strich waren das gut und gerne mehr als 20 kg Honig. Das hätte in diesem Jahr so mancher doppelzargig-deutsch-normal imkernde Kollege in unserer Gegend gerne aus der Frühjahrsblüte geschleudert...
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Jetzt wird es aber langsam Zeit, dass der Imker auch zu seinem Recht kommt!
Dieses ist die derzeit obere Zarge, hauptsächlich mit Robinien- und Waldhonig gefüllt, in der letzten Woche aufgenommen. Bestens geeignet für Wabenhonig!
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Heute sieht sie genauso aus wie die oben gezeigte Zarge mit dem Winterfutter. Und die derzeit zweitobere Zarge ist zu 3/4 ausgebaut und ebenfalls gut mit Honig angetragen.
Sagen wir also, es sind derzeit 14 kg Honig vorhanden, die ich als Wabenhonig ernten könnte.
Und wenn die Tracht nicht plötzlich und dauerhaft abreisst (...es sieht derzeit nicht so aus! ), dann werden daraus zwei volle Zargen und damit 20 kg Wabenhonig zum Ernten. Und wenn die Tracht noch so weiter läuft...
10 kg Winterfutter + 20 kg Wabenhonig: Nicht schlecht für einen Schaukasten im Katastrophenjahr 2006! Oder?
Jedenfalls deutlich mehr, als die hier im Forum für Stabilbauvölker angenommenen 14 kg Durchschnittsernte.
Dieses Ergebnis wäre auch keine Eintagsfliege, sondern entspräche fast genau dem letztjährigen Ertrag.
Doch im letzten Jahr war es ein starker Mai-Kunstschwarm mit einer Soda-Königin, und da wollte ich noch keine Schlüsse ziehen. In diesem Jahr - nach kompletter Überwinterung und überstandener Schwarmphase - trau ich mich schon eher.
Mein erstes Fazit:
Es ist auf Anhieb gelungen, die Aussage von Christ zu bestätigen, dass 20 kg Honigernte mit seiner Beute 'nichts Besonderes' sind.
Christ war also kein Schwindler!
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Um so faszinierender und um so unverständlicher ist die Tatsache, dass man ein halbes Jahrhundert später diese erfolgreiche Betriebsweise vergaß und 8 kg Durchschnitt von 360 Völkern für eine gute Ernte hielt: Nur weil in der Zwischenzeit der mobile Bau erfunden und die Revolution in der Imkerei ausgerufen war!
Ob hier auch eine Wurzel für den erbitterten fachlichen Konflikt zwischen Dzierzon und Gerstung zu suchen ist?
Mein zweites Fazit:
Natürlich arbeite ich mit meinen Wirtschaftsvölkern weiter in meiner bewährten 10-rahmigen kompatiblen Dadant-Kiste und meiner Landbienen-Population vom Carnica-Typ mit dem tollen Honigkübel-Index!
Aber Spaß machts schon und man lernt viel für den Imkeralltag, wenn man ab zu mal um die Ecke schaut.
Viele Grüße,
Rudi